11. Dezember 2014
Soll ich Tagesgeld-Hopping betreiben?
Die niedrigen Zinsen lassen manche Sparer sportlich werden. Sie bestellen jede Menge Newsletter mit Titeln wie "Zinsalarm" oder "Der beste Zins für Sie" und hoffen, dass ihnen ein fetter Zinsfisch ins Netz geht.
Andere geben regelmäßig Worte wie "Tagesgeld Zinsen" oder "Tagesgeldkonten Vergleich" bei Google ein und besuchen die einschlägigen Websites.
Sind das jetzt Schatzsucher auf dem Weg nach Eldorado oder eher Glücksritter von der traurigen Gestalt?
Was bringt Tagesgeld-Hopping?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die folgenden Parameter klären:
- Um welche Summen geht es?
- Wie sind die Angebote der Banken gestrickt?
Wie viel Geld kann aufs Tagesgeldkonto?
Laut Statista verteilt sich das Sparguthaben der Deutschen pro Kopf im Jahr 2014 wie folgt:
Anteil der Menschen, die über Bargeld und Sparguthaben verfügen in Höhe von …
Guthaben | Anteil |
---|---|
weniger als 1.000 € | 16 % |
1.000 € bis 10.000 € | 33 % |
10.000 € bis 25.000 € | 15 % |
25.000 € bis 50.000 € | 10 % |
50.000 € bis 100.000 € | 6 % |
mehr als 100.000 € | 5 % |
36 % haben mehr als 10.000 Euro, 49 % bis zu 10.000 Euro auf dem Sparkonto.
Ich schicke in diesem Beispiel 10.000 Euro auf Wanderschaft.
Wie sind die Angebote der Banken gestrickt?
Die Banken wollen mit ihrem Marketingbudget möglichst viele Neukunden fangen. Deshalb achten sie darauf, die Leimrute nicht zu dick mit Honig zu beschmieren. Die meisten Angebote sind
-zeitlich begrenzt. Eine Zinsgarantie gibt es nur für wenige Monate. In ganz seltenen Fällen sind auch schon mal zwölf Monate drin. Die 1822direkt-Bank beispielsweise lockt Neukunden mit 1,3 % und speist Altkunden mit 0,7 % ab. Das ist fast eine Halbierung des Zinssatzes.
-volumenbegrenzt. Keine Bank will mit Nullen geflutet werden. Deshalb gilt das Angebot oft nur für Beträge zwischen 10.000 Euro und 50.000 Euro. Bevor die Bank Ihre 100.000 Euro nimmt, gewinnt sie lieber zwischen 10 und 20 neue Kunden.
Welche Überrendite lässt sich erzielen?
Nehmen wir an, dass ein nicht-hüpfendes Tagesgeldkonto um die 1 % bringt. Wer auf der Zinswelle surft, sichert sich Zinssätze zwischen 1,3 % und 1,5 %. Das Delta beträgt zwischen 0,3 % und 0,5 % und es geht um 10.000 Euro. Nehmen wir zugunsten des Zinsjägers an, dass er bei jedem Wechsel das maximale Delta von 0,5 % erreicht. Dann hat er am Jahresende 50 Euro verdient, davon gehen 13,19 Euro als KapSt. + Soli ab.
Bei einem Einsatz von 10.000 Euro beträgt die Überrendite somit 36,81 Euro.
Wer 50.000 Euro auf Wanderschaft schickt, erzielt eine theoretische Überrendite von 184,06 Euro. Muss aber in der Praxis erst einmal eine Bank finden,
- die bereit ist, Top-Zinsen auf 50.000 Euro zu bezahlen,
- deren Zinsgarantie länger als "bis übermorgen" gilt.
Selbst wenn Sie ans Limit gehen und die von der gesetzlichen Einlagensicherung maximal pro Bank abgesicherte Summe von 100.000 Euro am Start haben, bringt Ihnen das pro Jahr nur 368,13 Euro nach Steuern. Wenn Sie das zehn Jahre durchhalten, haben Sie 3.681,30 Euro mehr. Ich habe dabei weder den Zinseszins-Effekt noch die Inflation berücksichtigt.
Achtung!
Wir erzielen die Überrendite ausschließlich durch das Abschöpfen der Marketing-Etats der Banken. Wir drehen nichts am Risikoprofil der Banken. Wenn ich bereit bin, in BB-bewertete bulgarische oder portugiesische Banken zu investieren, bekomme ich natürlich noch mehr Zinsen. Aber das ist ein anderes Spiel, wie ich in "Auf zur Zinsjagd" beschrieben habe.
In diesem Artikel geht es nur um Banken der Sicherheitsstufe A.
Was muss ich für diese Überrendite tun?
- Den Markt beobachten. Mit neuen Angeboten ist zwar nicht täglich zu rechnen, wohl aber monatlich.
- Meine bestehenden Verträge verwalten, die Zinsgarantie-Termine im Auge behalten und rechtzeitig wechseln.
- Jedes Mal das Postident-Verfahren durchlaufen.
- Das verlassene Konto schließen.
Was spricht sonst noch gegen Zins-Hopping?
Irgendwann hat sich‘s ausgehüpft. Für die Banken ist ein Neukunde jemand, der in den letzten sechs bis zwölf Monaten kein Konto bei dieser Bank hatte. Irgendwann gehen Ihnen die Banken aus. Sie müssen deshalb auf jeden Fall die alten Konten schließen und die Geschäftsbeziehung vollständig abbauen. Sonst können Sie ja in einem Jahr nicht erneut Neukunde werden.
Ob sich dieses Gehopse auf Ihren Schufa-Score auswirkt, weiß ich nicht. Wäre aber mal eine Forschungsreise wert.
Wenn Sie schon so rasiermesserscharf rechnen: Tagesgeldkonten arbeiten immer mit Referenzkonten. Das bedeutet, Sie müssen Ihr Geld vom TG1 aufs Girokonto und dann aufs TG2 verschieben. Wer umzieht, kann nicht arbeiten. Deshalb nimmt sich Ihr Geld für diese zwei Bankarbeitstage zinsfrei.
Welchen Stundenlohn erzielen Sie durch Tagesgeld-Hopping?
Wäre es nicht besser, auf dieses Geld zu verzichten und statt dessen etwas mit Family&Friends zu unternehmen oder ein paar – hoffentlich bezahlte – Überstunden im Brotberuf zu kloppen?
Kann das nicht ein Dienstleister machen?
Ich glaube kaum. Ein Dienstleister (neudeutsch Fintech-Startup) verlängert die Nahrungskette. Ein Dienstleister braucht Marketing, Mitarbeiter und ein Büro und darf dann Unmengen an Minirechnungen schreiben.
Wenn ein Kunde 5.000 Euro Tagesgeld hat und der Dienstleister eine Gebühr von 0,1 % erhebt, dann sind das 5 Euro. Um auf einen Jahresumsatz von 100.000 Euro zu kommen, müssen 100 Millionen Euro Anlegergeld verwaltet werden.
Wo soll das Geld auf Kundenseite herkommen, und wie soll der Dienstleister von 100.000 Euro seine Kosten decken und noch einen Gewinn machen?
Dazu kommt: So etwas Ähnliches gibt es ja schon. Nennt sich Geldmarktfonds. Als ich das letzte Mal Geldmarktfonds angesehen habe, waren die Kosten hoch, die Renditen aber geringer als auf dem Tagesgeldmarkt.
Was sagt die Bank dazu?
Für Banken sind Tagesgelder oft reine Lockangebote. Zuerst soll der Kunde gebunden werden und dann will man ihm weitere Produkte der Bank verkaufen. So scharf sind die Banken nicht auf ein paar Millionen Euro flüchtiges Tagesgeld.
Keine Bank hat ein Interesse daran, Geld für Kunden auszugeben, die garantiert ganz schnell wieder weg sind, sobald es bei der Konkurrenz Geld aus deren Werbekostenbudget abzugreifen gibt.
Der Jurist sagt dazu: Es besteht kein Kontrahierungszwang.
Das bedeutet: Die Bank kann sich aussuchen, mit wem sie Geschäfte macht.
Nur weil Sie von einem tollen Angebot profitieren möchten, bedeutet das noch lange nicht, dass die Bank Sie auch als Kunde nimmt. Zumindest nicht, wenn Sie die Zinslandschaft abgrasen wie die Gnus in der Serengeti. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Top-Zinsen.
Fazit
Tages- und Festgeld sind das neue Sparbuch.
Der Zinssatz des Sparbuch 3000 Plus der Post lag 2013 bei 0,05 %. Sparkassen und Banken verzinsen ähnlich gut. Das muss sich niemand bieten lassen.
Der Entscheidungsbaum sieht so aus:
- Ich bin moralisch gefestigt und deshalb davor gefeit, mein Geld für sinnlosen Konsum rauszuhauen => Tagesgeld
- Ich glaube außerdem, dass die Zinsen in den nächsten 12 bis 24 Monaten wieder steigen werden und möchte deshalb zu gegebener Zeit von den steigenden Zinsen profitieren => Tagesgeld
- Ich kenne mich, wenn ich www.amazon.de in den Browser eintippe, ist es aus mit mir. Deshalb schließe ich mein Geld weg. => 12-Monats- oder 24-Monats-Festgeld
- Die Zinsen steigen doch sowieso nicht. Ich will das Thema vom Tisch haben. => 12-Monats- oder 24-Monats-Festgeld
Die Konten werden bei seriösen Banken nördlich der Alpen abgeschlossen. Lockangebote sind uninteressant, stattdessen suchen wir uns eine Bank, die dauerhaft gute Zinsen bietet. Dauerhaft gute Zinsen sind besser, als für drei Monate astral gute Zinsen zu kassieren und dann in den Zinskeller abzustürzen. Das war‘s! Die Politik der ruhigen Hand gilt nicht nur für unser Aktiendepot, sondern für alle Anlageformen.