11. Dezember 2014


Geld und Glaubenssätze

Es weihnachtet, das Jahr neigt sich dem Ende zu, Zeit für philosophische Grundsatzdebatten und Bekenntnisse. Begonnen hat alles mit den Artikeln dieser Kollegen:

Dann kam noch Holger Grethe um die Ecke und fragt: "Können Frauen besser mit Geld umgehen als Männer?"
In den Kommentaren zu diesem Artikel meldete sich Petra Schwehm zu Wort und lud zu ihrer Blogparade "Geld und Glaubenssätze" ein.

Obacht: Während ich eher ein Freund des SWAT-Investings bin (Ziel identifizieren, Excel anwerfen, Geld anlegen und fertig ist die Laube) sind die in der Blogparade vertretenen Artikel eher nachdenklich und besinnlich.
Das hat meiner Meinung nach aber weniger mit weiblich vs. männlich zu tun sondern mit Naturwissenschaftler/Ingenieur vs. Geisteswissenschaftler.

Nun aber zur Blogparade

Die Aufgabenstellung lautet:

Mich interessiert, wie du über Geld und Reichtum denkst und welches deine Glaubenssätze darüber sind.

Die finanziellen Glaubenssätze des Finanzwesirs

  1. Geld ist wie Benzin.
  2. Geld ist kein Statussymbol.

Geld ist wie Benzin

Gehen Sie mal im Bahnhofsbuchhandel in die Ecke mit den Motor-Magazinen. Was finden Sie dort für Publikationen? Magazine, die sich mit Oldtimern, Youngtimern, LKW und Panzern beschäftigen. Jedes Blechle hat sein Magazinle, aber ein Benzin-Magazin (die E10-Lüge, 4 Superbenzine im Test) werden Sie vergeblich suchen.
Benzin ist einfach da. Man tankt, und solange der Tank voll ist, interessiert das Thema nicht weiter.
Wenn der Sprit knapp wird, schlägt das Verhalten vollkommen um. Auf einmal gibt es nichts wichtigeres als die Tankanzeige.
Das ist mir einmal in den USA auf dem Highway 101 zwischen San Francisco und Santa Barbara passiert. Lässig am Schild "nächste Tanke in 60 Meilen" vorbeigefahren und dann festgestellt:

  • 60 Meilen sind knapp 100 Kilometer und nicht knapp 70 Kilometer
  • ein V8 plus hart arbeitende Aircon gurgeln ganz schön was weg

Das Ende vom Lied: Fenster auf statt Aircon, jeden Hügel herunterrollen (lass die blöden Trucks doch hupen beim Überholen) und dann mit dem letzten Sprit an die Zapfsäule gerollt. Darauf erst mal eine eiskalte Cola. Soviel emotionalen Stress hatte ich während des ganzen Aufenthalts nicht mehr.

Fazit

Geld: Wenn es da ist, nimmt man es als gegeben hin. Wenn es fehlt, gibt‘s richtig Stress.

Geld ist kein Statussymbol

Wenn Geld wie Benzin ist, dann sollte man sich wie Dagobert Duck einen riesigen Speicher hinstellen, damit immer genug da ist.
Hm, nicht unbedingt.
Geld alleine macht einen Menschen nicht interessant oder wertvoll. Als rheinischer Katholik glaube ich nicht an die Korrelation von

  • Geld = gut
  • mehr Geld = besser
  • noch mehr Geld = am besten

Das überlasse ich den Protestanten. Dazu ein kleiner Ausflug in die Geschichte.

Bei den Katholiken läuft die Sache so:
Gesündigt?
Ab in den Beichtstuhl, der Pfarrer kennt die Tarife.
Drei mal Vaterunser => erledigt
Zwei mal Ave Maria => erledigt
20 Euro für die Erneuerung des Glockenturms => Rein in den Klingelbeutel. Gut, dass ich beim Einkaufen den Fünfziger kleingemacht habe.
Und jetzt ab ins Wirtshaus, weiter sündigen.

Diese lebensfrohe Korruptheit geht den Protestanten vollkommen ab. Sie haben keinen Pfarrer als Firewall, sondern stehen dem Herrn wie Frodo dem lidlosen Auge unmittelbar gegenüber.
Das ist nicht nur ein ziemliches Machtgefälle, sondern es ist für gewöhnliche Sterbliche auch schwer, genau zu verstehen, was Er von uns will.
Es bleibt immer das nagende Gefühl: "Habe ich alles richtig gemacht?"
Was tut der kluge Protestant? Mit der direkten Methode bekommt er keine Klarheit, also sucht er eine indirekte Messmethode.
Und die geht so:
Grundsätzliche Annahme: Alle Fäden laufen bei Ihm zusammen. Alles, was passiert, ist Gottes Wille. Er ist allmächtig.
Was bedeutet dann wirtschaftlicher Erfolg? Dass ich besonders tüchtig bin oder dass ich ein gottgefälliges Leben führe?
Der erste Teil der Frage stellt sich nicht, denn "der Herr gibt es, der Herr nimmt es". Wenn ich wirtschaftlich erfolgreich bin, dann liegt das daran, dass Gott mir diesen Segen zuteil werden ließ.
Damit haben wir unsere indirekte Messgröße: Mein Reichtum ist direkt proportional zur Gottgefälligkeit meines Lebens.
Nix da mit "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr…", sondern "Schaffe, schaffe, Häusle baue…" (Württemberg wurde 1534 evangelisch)

Auch wenn wir nicht mehr halb so religiös sind wie die Generationen vor uns – diese Mechanismen sind nach wie vor tief verwurzelt in unserer Gesellschaft. Aus dem Statussymbol "Gottgefälligkeit" wurde im Laufe der Jahre ein bunter Strauß an Statussymbolen "Mein Haus, mein Auto, mein Boot".
Aber nach wie vor gilt:

Zu dem Hund, der Geld hat, sagen die Leute "Herr Hund".
tunesisches Sprichwort

Was passiert, wenn man die beiden Glaubenssätze kombiniert?

Man erkennt des Pudels Kern: Man braucht Geld, aber letztendlich ist es nur Mittel zum Zweck.
Und was ist der Zweck?

Leben und arbeiten in der arschlochfreien Zone

Darum und nur darum geht es. Sagen zu können:

  • Ich verwende meine Zeit auf Dinge, die mir wichtig sind.
  • Ich umgebe mich mit Menschen, die ich mag und respektiere.
  • Ich kann mir meine Zeit frei einteilen.

ist das ultimative Privileg.

Wenn die finanziellen Möglichkeiten und die eigenen Wünsche im Gleichgewicht sind, kann das Leben sehr wohl ein Ponyhof sein.

Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.
Jean-Jacques Rousseau

(awa)

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Abgelegt unter Strategie, Geldanlage, Blogparade



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Kommentare

Joerg sagt am 12. Dezember 2014

Fuer mich ist Geld wie eine Gabe (also Talent, besondere Faehigkeit, zB in Musik, Kunst, Sport, Wirtschaft ...). Also neutral. Ich kann es fuer Gutes wie fuer Schlechtes einsetzen oder Brachliegen lassen oder Vergeuden...

Ein interessantes Motto mit dem ich konform gehe: "Verdiene soviel du kannst, gib' soviel du kannst" (also Geben fuer zB Gutes, mildtaetige Projekte, etc)


Covacoro sagt am 12. Dezember 2014

Danke Finanzwesir für diesen Artikel !

Die Bücher von Dieter Moor kennst Du vermutlich, wenn nicht sind sie hiermit als Weihnachtslektüre empfohlen :-) "Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht: Geschichten aus der arschlochfreien Zone" und "Lieber einmal mehr als mehrmals weniger: Frisches aus der arschlochfreien Zone"


Petra Schwehm sagt am 14. Dezember 2014

Dein witziger Artikel sticht auf alle Fälle heraus, Albert. Die Story von deiner Reise auf dem Highway 101 gefiel mir am Besten :-) Danke für deine Teilnahme an der Blogparade und dem Teilen deiner Sichtweise!

Viele Grüße, Petra

Auf dem Blog von Petra Schwehm gibt es hierzu diesen Artikel: Meine Geld Erlebnisse und Glaubenssätze für mehr Umsatz


Finanzwesir sagt am 15. Dezember 2014

@Covacoro: Du meist denn Herrn, der sich jetzt Max nennt ;-) Nein, seine Bücher kenne ich nicht. Ich werde aber gleich mal auf Amazon forschen. Klingt ja interessant. Danke für den Tipp.

@Petra Schwehm: Gerne doch, mit hat es auch Spaß gemacht.


Thomas sagt am 13. Mai 2015

Leben in der arschlochfreien Zone. Einfach nur klasse!
Besser kann man den Sinn des Lebens nicht beschreiben. Leider ist es nicht jedem vergönnt, dieses Lebensziel zu erreichen.


Lisa sagt am 01. Mai 2016

Wunderbar! "Leben und arbeiten in der arschlochfreien Zone" Ich mag Deinen Blog sehr - vielen Dank, dass Du uns an Deinem Wissen teilhaben lässt! Und ich musste gerade sehr lachen. :)


thilo sagt am 24. Februar 2019

Sensationeller Artikel nahezu "Punk"


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