03. November 2014


Der Anlegerschutz – ein verhängnisvolles Danaergeschenk

Sie haben 10.000 Euro gespart und wollen diese nun gut angelegt wissen.
Was tun?
Zur Bank gehen? Eher nicht, denn dort wird man Ihnen keine Renditebringer verkaufen. Diesen Artikel habe ich im Februar geschrieben. Mittlerweile hat sich die Situation noch weiter verschärft.

Ihre Feinde heißen Basel III, MiFID II und MiFIR

Kennen Sie nicht, nie gehört? Diese drei Begriffe benutzen die Tagesschausprecher immer dann, wenn sie eine Nachricht zum Thema "EU verstärkt Bankenregulation" verlesen. Dann sitzt man vorm Fernseher und freut sich, "Endlich werden die Bankster mal an die Kandare genommen und wir Kleinanleger geschützt."
Wirklich?
Diese Richtlinien und Verordnungen setzen auf den typischen QM-Ansatz. Erhöhung der Qualität durch lückenlose Dokumentation. Das bedeutet in der Praxis, dass alle Schriftstücke, alle Mails samt Anhängen, alle Telefonate sowie sämtliche Tweets und Facebook-Chats aufgezeichnet und archiviert werden müssen. Dieses "Alles-über-alle-wissen" war bis jetzt den Kollegen in Fort Meade vorbehalten.
Für die Banken bedeutet das: Die NSA hat ein Budget von 10,8 Milliarden Dollar, wir nicht. Der Gesetzgeber zwingt uns dazu, alles zu dokumentieren, aber er schreibt uns nicht vor, wer "alle" sein soll.

Was tun, um weiter profitabel zu arbeiten?

  1. Gnadenlos standardisieren. Damit wird der Posten "Alles dokumentieren" handhabbar. Die Rechtsanwälte geben vor, welche Dinge abgefragt werden müssen, die IT setzt das in Datenbankfelder um und der Verkauf verkauft nur innerhalb dieser Leitplanken. Alles, was nicht in ein Datenbankfeld passt, ist nicht existent.
  2. Die Bank verkleinert die Menge der Personen, mit denen sie zusammenarbeitet. Sie verzichtet lieber auf Kunden, bevor sie sich ein unkalkulierbares Risiko in die Bücher holt. Das gilt vor allem für Kredit suchende Geschäftskunden.

Privatanleger bieten der Bank kein attraktives Risiko/Chancen-Profil mehr. Die Chance, an Ihnen etwas zu verdienen, ist gering. Der Papierkram, den Sie verursachen, steht in keinem Verhältnis zu den paar Kröten, die Sie Ihr eigen nennen.
Wobei "ein paar Kröten" deutlich über Taschengeld-Niveau hinausgeht. Alles unter 100.000 Euro sind die sprichwörtlichen Peanuts. Bei sechsstelligen Summen bewegt sich der Banker, aber in Verzückung gerät er noch lange nicht. Erst eine siebenstellige Summe nennt er ein Vermögen.

Für die Banken wird es langsam wirklich ernst. Während man früher schmunzelnd über das Kavaliersdelikt Falschberatung hinwegsah, verhängen die Regulierer heute schon mal Berufsverbote.
Da überlegt man es sich als Banker doch ganz genau, ob man bei der Dokumentationspflicht mal alle Fünfe gerade sein lassen will, selbst wenn Sie als Kunde genervt abwinken und gerne darauf verzichten.

Dazu passt ein Zitat von Jürgen Fitschen (Präsident des Bankenverbandes und Co-Chef der Deutschen Bank):

"Die deutschen Banken verdienen nicht einmal ihre Kapitalkosten, das ist kein guter Zustand und muss sich radikal ändern. Im Geschäft mit Privatkunden verdient die Branche insgesamt zu wenig Geld. So, wie es jetzt läuft, kann es nicht bleiben."

Wenn das Geld nicht zu den Banken soll, wohin dann?

Langfristig werden die Robo-Advisors das standardisierte Massengeschäft aus zwei Gründen übernehmen. Robo-Advisors sind Online-Angebote, die einen passiven Investmentansatz verfolgen. Meist investiert der Kunde in ETFs. Die Zusammensetzung des Portfolios wird dabei nicht von einem Menschen gesteuert, sondern von einem Algorithmus. Diese automatisierte Finanzberatung ist sehr effizient und preiswert. Typische Vertreter sind US-Anbieter wie Wealthfront und Betterment oder in Deutschland Vaamo und Easyfolio.

Robo-Advisors können "von der Stange" billiger

Während beim klassischen Verkauf der Banker nach dem Kundenbesuch den ganzen Papierkram machen muss, übernimmt der Kunde bei den Robos die Dokumentation selbst. Es gibt einen klaren Prozess, den sich der Robo-Advisor von der BaFin oder einem anderen Regulierer zertifizieren lässt, und dann ist er durch mit dem Thema Dokumentation. Der Kunde klickt, akzeptiert und füllt aus. Zum Schluss muss der Robo nur noch alles sauber in der Cloud speichern und gut ist.
Sollte der Kunde meckern, so kann man ihm jederzeit auf den hundertprozentig dokumentierten und vor allem von den Regulierern akzeptierten Workflow verweisen und ist fertig mit allen Haftungsfragen.
Ein klar definierter, voll digitaler Prozess ist viel kostengünstiger als die "gewachsenen Prozesse", mit denen sich die Banken herumschlagen müssen.

Robo-Advisors skalieren besser

Die Robos haben ein ganz anderes Geschäftsmodell als die Banken. Die Banken betreiben personalintensives Verkaufsgeschäft, die Robo-Advisors sind Plattformen. Wenn die Nutzerzahlen steigen, packt man mehr Server dazu und muss keine neuen Leute anstellen. Ein Web-Geschäft lässt sich auch besser optimieren, Stichwort Web-Analyse. Wenn die Robos ihr Geschäft verstehen, dann werden sie ihre Websites kontinuierlich optimieren und so die Akquisekosten stetig drücken. Den Banken dagegen weht der Wind des Misstrauens ins Gesicht.

Was bedeutet der Wandel für Sie?

Die Robos setzen einen finanziell halbwegs gebildeten Menschen voraus. Händchenhalten und Individualbespaßung („Noch eine Tasse Kaffee? Und grüßen Sie Ihre Frau Gemahlin ganz herzlich von mir …“) ist nicht.
Damit findet im Finanzbereich das gleiche statt wie in anderen Lebensbereichen, die von der IT übernommen wurden.

Beispiel 1

Fernsehen ist heutzutage kein Fernsehen im traditionellen Sinne mehr, sondern Bewegtbild-Streaming. Die Filme kommen unter anderem von Fernsehsendern, aber Netflix, die externe Festplatte oder Youtube sind ebenfalls am Start.

Beispiel 2

Früher war die Bereitstellung der Fernsprecheinrichtung ein hoheitlicher Akt. Wenn die Post den Antrag bearbeitet hatte, kam man dran. Das Telefon konnte jede Farbe haben, solange diese Grau war, und die Tarife konnte sich jeder merken:

  1. Ortsgespräch,
  2. Ferngespräch vor 18 Uhr,
  3. Ferngespräch nach 18 Uhr.
  4. Auslandsgespräche waren als ruinös verboten. "Schreib‘ halt einen Brief!"

Klingt unfassbar, hatte aber einen großen Vorteil: Das Thema "Telefonieren" verbrauchte keine Hirnkapazität. Friss oder stirb. Nimm, was es gibt, oder lass es bleiben.

Beispiel 3

Der Router hängt heutzutage an einer DSL-Leitung, die vor zehn Jahren eine mittelgroße Firma mit Internet versorgt hätte.

Der Preis der Power und der Wahlmöglichkeiten

Wir sind unsere eigenen Netzwerk-Administratoren und Programm-Manager geworden. Das Wort "Medienkompetenz" gab es in meiner Jugend nicht. Da hieß es "Bub, lies mal wieder ein Buch." Virus bedeutete "ab ins Bett" und nicht "der Router brennt".
Heutzutage braucht man in vielen Bereichen grundlegende Sach- und Marktkenntnis, um nicht abgezockt zu werden (Handy-Verträge) oder sinnlos seine Zeit zu verzappen (Fernsehen).
Von 1950 bis 1961 brauchte niemand in Deutschland eine Fernsehzeitung. Heute reicht die Fernsehzeitung bei Weitem nicht, denn da steht nicht drin, was Netflix, Amazon Prime oder Youtube zu bieten haben.

Sie sind Teil des Marktes

Auch wenn Sie sich wegducken, nur ein Sparbuch besitzen und ansonsten den Vogel Strauß geben: Sie sind ein Teil des Marktes. Auch als Nichtaktionär betrifft Sie das Auf und Ab der Börsen.
Auch die Zinssituation betrifft Sie mehr als Sie glauben, denn wenn die Zinsen nicht langsam anziehen, gerät Ihre Lebensversicherung noch weiter in Schieflage.
Einfach dadurch, dass Sie in einem westlichen Industrieland leben, sind Sie Teil des globalen Finanzmarktes.
Von daher hilft alles Lamentieren nichts. Sie sind im Spiel, ob Sie wollen oder nicht, und Sie sollten Ihren Ball unter Kontrolle bringen. Sie haben drei Optionen:

  1. Aufgeben und die Produkte der Banken akzeptieren. Diese Produkte sind auf die Sicherheits- und Renditebedürfnisse der Banken zugeschnitten und nicht auf Sie.
  2. Sich einen guten Berater suchen und diesen gescheit bezahlen.
  3. Sich selbst die Grundlagen aneignen und Ihr Depot entweder selbst zusammenstellen oder den Service der Robo-Advisors nutzen. Das aktuelle Angebot der Robos hat noch deutliches Potenzial. Da werden wir in den nächsten Jahren noch einige Verbesserungen sehen. Der US-amerikanische Anbieter Wealthfront hat eine neue Finanzierungsrunde über 64 Millionen Dollar abgeschlossen, und auch Vaamo hat in einer weiteren Finanzierungsrunde 2,5 Millionen Euro eingesammelt. An Geldmangel werden die Robo-Advisors jedenfalls nicht eingehen. Manche Analysten sehen sogar schon das Zeitalter der Roboter gekommen.

Was nicht funktionieren wird

Zu glauben, man könnte sich mit einem Stundenhonorar von unter 50 Euro aus der Affäre ziehen. Laut einer Studie von BBDO ist den meisten Deutschen eine Finanzberatung weniger wert als eine Handwerkerstunde.

Fazit

Der Megatrend Digitalisierung und die fortschreitende Regulierung der Banken zwingen Sie als Anleger, aktiv zu werden. Die schöne alte Welt, in der die Rente sicher war und der Bankverkäufer noch ein Bankbeamter war, geht gerade unter. Wenn Sie nicht mit untergehen wollen, müssen Sie sich Ihr eigenes Floß zimmern. Sie werden diese Trends nicht aussitzen können.
Fluch und Segen der Internet-Welt: Sie können sich so einfach wie noch nie informieren, und dank der Discount-Broker können Sie auch mit kleinen Summen anfangen, ohne dass die Gebühren alles auffressen. Aber Sie müssen es auch tun, sonst tun andere es für Sie, und das kann teuer werden.
Sehen Sie zu, dass Finanzthemen für Sie kein Neuland mehr sind. Es gibt genug hilfreiche Blogs, Foren und Bücher.

(awa)

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Kommentare

Stefan sagt am 03. November 2014

Hallo Finanzwesir,

schön geschrieben. Ich bin sehr froh, dass die Digitalisierung dazu beiträgt das "Altherren-Geschäft" der Banken aufzubrechen und Druck auf die Branche aufzubauen. Banken- und Bankdienstleistungen sind eines der großen Zweige jeder Ökonomie und diese waren bis zuletzt relativ wenig durch die Digitalisierung in Deutschland betroffen (verglichen mit z.B. Einzelhandel oder Tourismus). Das hat sich geändert, aktuell sprießen ja wirklich sogenannte "Fintech" Unternehmen aus dem Boden. Allein Rocket Internet hat drei FinTech Unternehmen an den Start gebracht und ich weiß aus meinem Umfeld, dass dieses Thema Inhouse als absoluter Megatrend gesehen wird und Investorengelder geradezu anzieht.

Mich freut es und ich bin auf die kommenden Innovationen gespannt, die hoffentlich mehr Personen zur eigenverantwortlichen Geldanlage incentivieren.

Alles Gute und beste Grüße Stefan

Auf dem Blog von Stefan gibt es hierzu diesen Artikel: Geldbildung


Couponschneider sagt am 05. November 2014

Ich sehe diese Regulierungen auch sehr kritisch. Meines Erachtens haben diese sogar die europäische Schuldenkrise verstärkt. Wer kaufte denn unkritisch griechische Staatsanleihen? Doch nicht Privatanleger. Es waren institutionelle Anleger, die das Geld ihrer Beitragszahler (KLV, Riester usw.) in Staatsanleihen investieren mussten, weil die per Dekret als sicher galten.


Daniel Franke sagt am 05. Oktober 2015

Robo Advisor sind für mich eines der spannendsten Themen im Brokerage-Bereich für die kommenden Jahre. Wir haben dazu im Mai 2015 einen Echtgeld-Test der führenden deutschen RoboAdvice-Plattformen gestartet mit interessanten Ergebnissen: so haben sich bislang alle Anbieter besser geschlagen als der MSCI World, den wir als Vergleichsindex heranziehen. Während dieser von Mai bis Ende September um 11,72 Prozent nachgab, wies das Portfolio von CASHBOARD als bestem Anbieter nur ein Minus von 5,18 Prozent aus und selbst die SutorBank als derzeitiges Schlusslicht performt mit minus 8,44 Prozent immer noch deutlich besser als der Vergleichsindex. Das zeigt uns, dass die Plattformen ihr Handwerk verstehen.


Finanzwesir sagt am 05. Oktober 2015

Hallo Herr Franke,

  • MSCI World als Referenz: 100 % Aktien
  • Cashboard: 20 % Cash, 25 % Immobilien, 20 % Mischfonds, 25 % Aktien, 10 % P2P-Kredite
  • Easyfolio 50: 50 % Aktien und ca. 50 % Anleihen
  • Sutor: 60 % Aktien und 40 % Anleihen

Klar steht Cashboard gut da, mit einem Aktienateil von gut 30% (Aktienfonds + geschätzer Aktienanteil Mischfonds), dann kommt Easyfolio mit 50% Aktien, dann Sutor mit 60% und der MSCI mit 100% Aktien ist das Schlußlicht. Noch besser wäre reines Tagesgeld gewesen, da hätte man in dieser Zeit 0,x% Plus gemacht.
Was sagt das jetzt über die Qualität der Robos aus? Sind sie toll, weil sie den MSCI World geschlagen haben oder Versager, weil sie noch nicht einmal die Tagesgeld-Rendite erwirtschaftet haben?

Gruß
Finanzwesir


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