Haus kaufen, ja oder nein?

Die selbst genutzte Immobilie ist das emotionalste aller Finanzthemen. Haus oder Wohnung? Kaufen oder mieten? Stadt oder Land?

Wie gehe ich den Immobilienkauf richtig an?

Am besten so, wie Obi-Wan es dem jungen Luke Skywalker in Star Wars mit auf den Weg gab: "Erforsche Deine Gefühle."
Als erstes gilt es, das Gewurschtel aus Fakten, Mythen und Emotionen zu entwirren. Dabei will dieser Artikel helfen.

  1. Mieter machen nur ihren Vermieter reich, während Immobilienbesitzer Vermögen bilden.
  2. Immobilien sind eine gute Altersvorsorge.
  3. Lage, Lage, Lage: Immobilien in guter Lage lassen sich immer mit Gewinn verkaufen.
  4. Immobilien sind sicherer als Aktien.

Diese und andere Aussagen liest und hört man immer wieder. Was stimmt und was ist ein Immo-Mythos? Eine Falschaussage wird nicht durch permanente Wiederholung wahr.

Die Entscheidung für oder gegen den Kauf einer selbst genutzten Immobilie ist vor allem die Entscheidung für einen bestimmten Lebensstil.
Diese Diskussion hat schon mehr als eine Beziehung gewaltig knirschen lassen. Nicht umsonst gilt das Eigenheim als Beziehungskiller.
Die Entscheidung für oder wider eine Immobilie ist nicht nur eine finanzielle Großentscheidung, sondern stellt die Weichen für das zukünftige Leben. Üblicherweise ist der Kauf eines Hauses gleichbedeutend mit "letzter Umzug meines Lebens". Wer eine Immobilie kauft, richtet seine gesamte Finanzstrategie auf dieses Großereignis aus. Für andere Anlageformen wie Aktien oder Fonds bleibt meist kein Geld übrig. Die Schulden müssen schließlich getilgt werden und ein bisschen Geld für die "schönen Dinge des Lebens" soll ja auch noch drin sein.

Singles kaufen keine Häuser. Häuser kauft man als Familie oder als Paar, das Familie werden will. Schon aus Respekt vor Ihrem Partner sollten Sie deshalb Ihre Motivation des Immo-Kaufs ehrlich erklären.

Ist es der Wunsch nach dem eigenen kuscheligen Nest?
Sind Sie in einem Alter und beruflich in einer Position, bei der ein Eigenheim einfach der "nächste logische Schritt" ist? Diese "Jetzt-noch-einen-Apfelbaum-pflanzen"-Nummer, meine Frau, meine Kinder, mein Haus, macht man halt so …

Oder sind Sie status-neidisch?
Julia und Sebastian haben vor den Toren der Stadt gebaut, Christian und Stefanie ziehen in ein Reihenhaus und selbst Katrin und Michael, von denen Sie nie geglaubt hätten, dass die mal eine Immobilie besitzen werden, haben jetzt diese schnucklige Dachgeschosswohnung in diesem total angesagten Viertel gekauft. Alle Freunde werden immobil und Sie sollen zurückstehen und Ihr Leben weiterhin als Mieter fristen? Niemals!

Wollen Sie eine sichere und mietfreie Bleibe im Alter?

Sehen Sie Ihre Immobilie als Betongold, also als Wertanlage?

Hand aufs Herz: Warum wollen Sie Immobilienbesitzer werden?

Wer braucht eigentlich ein eigenes Haus? Und kann und soll sich wirklich jeder eine Immobilie leisten?

Immo-Illusionen

9 Immobilien-Glaubenssätze, die Sie nicht so einfach glauben sollten

Besonders Immobilienkäufer fallen immer wieder auf die Geldwertillusion herein. Der Preis Ihrer Immobilie mag gestiegen sein, aber deshalb ist sie nicht wertvoller geworden.

Was ist meine Immobilie wert?

Überhaupt: Was ist mein Haus wert? Das kommt ganz auf den Standpunkt an. Interessant ist auch diese Erhebung des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken: Diese Wertsteigerungen haben Immobilien zwischen 2007 und 2013 in Deutschland geschafft. Sehr ernüchternd, wenn man nicht etwas in Berlin, München oder Hamburg zu verkaufen hat.
Hier eine WDR-Doku aus dem Jahre 2014 mit dem bezeichnenden Titel "Verlassen und verramscht - Wenn keiner Omas Haus will"

Geben Immobilien Sicherheit?

Ein ganz wichtiger Pluspunkt, den die Immobilienbranche immer für sich reklamiert. "Solide, Stein auf Stein gebaut - geben Sie Ihrer Familie die Sicherheit, die sie verdient!" - so lauten die Werbesprüche der Branche.

Doch wie sicher sind sichere Anlagen wirklich? und bringt uns das Streben nach Sicherheit wirklich mehr Sicherheit oder werden uns die Sicherheitsbewussten noch alle ruinieren?

Vielleicht doch lieber Aktien statt einer Immobilie?

Wer sich für den Kauf einer Immobilie entscheidet, entscheidet sich gegen den Kauf von Aktien, Fonds und Anleihen. Das ist absolut ok, schließlich reicht das Geld nur für eine finanzielle Großentscheidung. Trotzdem sollte jeder Immobilienkäufer vorher wissen, auf was er verzichtet, denn Wertpapiere haben historisch gesehen deutlich höhere Renditen erwirtschaftet als Immobilien. Besonders, wenn man als Anleger die Erträge (Zinsen und Dividenden) immer wieder anlegt.

  1. Die Regel von der 72 macht Sie reich - über die Macht des Zinseszins-Effekts.
  2. Was 1,8 % ausmachen - über die renditeschädigende Wirkung zu hoher Gebühren. Wobei Immobilienkäufer ja schon glücklich wären, wenn sie bloß 1,8 % Kaufgebühren hätten. Die normale Geld-in-den-Gully-Quote liegt bei Immobilen zwischen 10 % und 15 % des Kaufpreises. Hier in Hamburg beträgt alleine die Maklerprovision bis zu 6,25 %.

Die selbst genutzte Immobilie: Vermögenswert oder Verbindlichkeit?

Ganz zum Schluss ein Anschlag auf den Hauptmythos der Immo-Branche: Eine selbst genutzte Immobilie ist erst einmal kein Vermögenswert, sondern eine Verbindlichkeit. Erst der Verkauf der Immobilie zeigt, ob man in einem Vermögenswert gelebt hat oder drauf gezahlt hat.
Zum einen, weil man sie viel zu teuer ausstattet. Niemand würde Joop-Wasserhähne und Bulthaup-Küchen in eine Mietimmobilie einbauen.
Zum anderen, weil man da baut, wo einen persönliche Gründe hintreiben. Entweder, weil die Eltern oder Schwiegereltern dort wohnen (ich sage nur: Kinderbetreuung) oder weil es dort gute Schulen gibt oder aus anderen persönlichen Gründen.
Zum dritten, weil man viel zu groß baut. Wenn die Kinder erst einmal aus dem Haus sind, wird die Hälfte des Hauses nicht mehr gebraucht, muss aber instand gehalten und beheizt werden.
Zum vierten: Die Verrottung des Hauses beginnt mit dem Einzug. Jeder Hausbesitzer kann das bestätigen. Die ersten fünf Jahre sind billig, dann geht‘s aber los mit den ersten Schönheitsreparaturen und wenn‘s dumm läuft, stehen auch bereits die ersten substanziellen Reparaturen an. Die Sonnenkollektoren schwächeln oder die Schnecke der Pelletheizung knirscht.

Buchempfehlung

"Kaufen oder Mieten" von Gerd Kommer.
Ich habe das Buch selbst gelesen und kann es sehr empfehlen. Herr Kommer lässt die Emotionen weg und hinterfragt die Mythen der Immobilienbranche mithilfe von Excel. Ist es tatsächlich wirtschaftlicher, eine Immobilie zu kaufen anstatt sie zu mieten? Kommer rät nicht grundsätzlich vom Immobilienkauf ab, er will nur vernünftigen und fundierten Rat liefern. Das gelingt ihm meiner Meinung nach.
Kaufen oder mieten?: Wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen* von Gerd Kommer.

Kaufen oder mieten?: Wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen

Persönliches Fazit

Die Entscheidung für eine selbst genutzte Immobilie ist eine Lifestyle-Entscheidung. Renditeüberlegungen sind hier vollkommen fehl am Platz. Die einzige finanzielle Überlegung, die angestellt werden muss, ist: "Können wir uns das leisten?"
Eine Immobilie kauft man, weil man darin wohnen will, und zwar hier und heute, und so, wie man es gerne hätte.

Immobilienkauf zur Selbstverwirklichung: Eine gute Idee Immobilienkauf aus Sicherheitsgründen: Unfug

Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Welche Auflagen und Steuern wird sich der Gesetzgeber einfallen lassen? Wie wird sich das Viertel entwickeln? Wird man im Alter überhaupt noch in den eigenen vier Wänden wohnen wollen oder können? Wer weiß das schon.

Nach den Erfahrungen mit zwei Immobilien kann ich sagen: Die eigene Immo als Altersvorsorge ist Quatsch. Ich habe Häuser besichtigt, die nach diesem Prinzip bewohnt wurden. Vollkommen verlotterte Hütten, an denen zehn Jahre lang und länger nichts mehr gemacht wurde. Da heißt es Abriss und Neubau. Immobilien sind Verschleißartikel, die permanent gepflegt werden müssen. Entweder die Rente reicht oder das Haus verfällt. Wer in einer Eigentumswohnung lebt, wird durch die Eigentümerversammlung gezwungen zu investieren oder muss verkaufen.
Dazu kommt: Heutige Häuser sind nicht mehr für die Ewigkeit gebaut. Die heutigen Sandwich-Konstruktionen sparen Energie ohne Ende, sind aber viel fehleranfälliger als die alten Stein-auf-Stein-Häuser.

Wenn früher der Käfer nicht mehr lief, gab‘s eins mit dem Schraubenschlüssel über die Nockenwelle und das Ding fuhr wieder. Heute lässt man sich zum Booten des fahrbaren Untersatzes in die Werkstatt schleppen. Dort stöpselt dann ein behandschuhter Herr im weißen Kittel seine fahrbare EDV-Station an, besieht sich die Zahlenkolonnen und murmelt etwas von "Platine austauschen".
Genauso ist es mit den EneV-optimierten Häusern. Der Gesetzgeber verschärft die energetischen Auflagen permanent und treibt dadurch die Kosten für die Bauherren in die Höhe. Die Häuser werden dadurch aber immer "nervöser", denn die Haustechnik wird immer zickiger. Je "intelligenter" ein Haus wird, umso fehleranfälliger wird es auch. Die ganze Hauselektronik muss nicht nur instand gehalten werden, sie veraltet auch immer schneller und damit verliert das Haus an Wert.
Ein Beispiel: Als wir vor zwei Jahren eingezogen sind, habe ich für den Fernsehempfang noch Sat-Dosen einbauen lassen. Heute - zwei Jahre später - dank Sat-over-IP vollkommen überflüssig. Stattdessen wird das WLAN immer wichtiger. Hätte ich mal lieber das Haus entsprechend mit Repeatern und Access-Points ausgerüstet. Aber gebaut ist gebaut. Dieser Konstruktionsfehler ist ein Qualitätsmangel, den ich nie wieder ausbügeln kann.

Das Immobilien-Paradoxon

Zum Schluss noch etwas Versöhnliches für alle Freunde der selbst genutzten Immobilie: Aktien sind zur Vermögensbildung wesentlich besser geeignet als Immobilien. Trotzdem kann der Kauf einer Immobilie regelmäßig die beste Entscheidung sein, wenn es darum geht, Geld anzulegen.

Wie kann das sein?
Immobilienbesitzer sind Zwangssparer. Sie verkonsumieren ihr Geld nicht, sondern tilgen ihre Schulden. Eine abbezahlte Immobilie ist natürlich immer mehr wert als der nie angefangene Aktiensparplan.


(*)Affiliate-Link: Das Buch wird für Sie nicht teurer, aber ich erhalte eine kleine Provision.

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