05. Oktober 2015
Dr. Fox verführt zuverlässig. Auch Sie!
Wem vertrauen Sie mehr?
Dem Finanzwesir, der Ihnen sagt: "Ein paar ETFs plus Tagesgeld und gut ist."
oder
Dr. Fox, der Ihnen ganz souverän ein spannendes und komplexes Finanzprodukt vorstellt und dabei Fachwörter verwendet, von deren Existenz Sie bis jetzt keine Ahnung hatten.
Höchstwahrscheinlich werden Sie Dr. Fox überzeugender finden.
Warum?
Ganz einfach: Sie sind ein überdurchschnittlich intelligenter Mensch. Wenn jemand wie Sie sich schwertut, die Ausführungen des Dr. Fox zu verstehen, dann muss das Produkt, das Dr. Fox Ihnen anbietet, echt "Wow" sein!
Meine Billig-Thesen dagegen beleidigen Ihren Intellekt.
Zugegeben, das ist jetzt sehr platt und mit dem ganz breiten Pinsel gemalt. Aber genau diese Nummer haben die drei Wissenschaftler Donald H. Naftulin, John E. Ware und Frank A. Donnelly 1973 durchgezogen.
Die Hypothese
Ein Redner kann kompletten Scheiß erzählen, solange er gut aussieht und selbstbewusst und kompetent auftritt.
Das Experiment
- Zuerst musste ein Dr. Fox her. Man wurde an der örtlichen Schauspielschule fündig. Der Kollege wurde dann auf "Tschakka Tschakka" getrimmt. Mitreißend, energetisch, einfühlsam ‒ was man als Demagoge halt so drauf hat. Ein Schauspieler eben.(*)
- Dann haben die drei Wissenschaftler einen tatsächlich publizierten Fachaufsatz gezielt mit widersprüchlichen oder zweideutigen Aussagen, unlogischen Folgerungen und erfundenen Fachbegriffen verfälscht.
- Das Publikum: Alles Akademiker auf Fortbildung. Menschen, von denen man eine gewisse kritische Distanz und Lebenserfahrung erwarten kann.
- Der Vortrag: Eine Stunde plus 30 Minuten Diskussion.
- Die Reaktion: Begeisterung auf der ganzen Linie. Der Vortragende hat tolle Beispiele gebracht, er hat mich zum Nachdenken gebracht, das Material wurde interessant dargestellt. Mehr Lob kann man sich als Vortragender nicht wünschen.
Das Ergebnis
Hypothese bestätigt ‒ Stil schlägt Inhalt.
Was bedeutet das für Sie als Anleger?
Wenn Sie dann in einer Produktbeschreibung lesen,
"Dieses Produkt nutzt den hyperbolisch-konkaven Streuungs-Parameter (HKS). Für die Entdeckung des HKS hat Dr. Bibo Binder den Nobelpreis erhalten. Unsere Analysten nutzen diesen Parameter, um die Rendite gerade in schwierigeren Marktphasen zu approximieren und so Ihr Vermögen optimal auf die Marktvolatilitäten einzustimmen."
dann summen Sie einfach leise vor sich hin: "What Does The Fox Say?"
Der olle Spruch: "Du kannst sie nicht überzeugen? Dann verwirre sie." wirkt immer noch.
Für einen Verkäufer ist Komplexität wichtiger als Substanz, denn hinter einem komplexen Produkt kann er sich hervorragend verstecken. Sie verstehen etwas nicht und verlangen eine Erklärung. Der Vertreter zückt die passende Folie und antwortet:
- Ihr Verlust wird sich bei einem Crash in 67,35 % aller Fälle nur um 3,03 % vom Referenzwert unterscheiden.
- Und im Übrigen: 98,56 % der Fokus-Gruppe fanden das Produkt hervorragend oder gut.
Bei komplexen Produkten spült der Vertreter Ihre Bedenken unverzüglich mit einer Zahlenflut davon. Die schlauen Jungs vom Data-Mining haben ihm für jede Lebenslage einen schönen Chart in den Koffer gelegt.
Jede Zahl wird automatisch mit zwei oder mehr Nachkommastellen geliefert, denn das suggeriert Qualität. Zahlen mit drei Nachkommastellen sind natürlich genauer und besser als Zahlen mit nur zwei. Das ist:
Dr. Fox at his best.
Fazit
Komplexitäts-Verkäufer fahren zweigleisig. Zum einen setzen sie auf ihre Zahlenflut und zum anderen auf ein "Das haben Sie doch jetzt sicher verstanden." Implizite Botschaft: "Oder sind Sie zu blöd dazu?"
Wer jetzt seinem Ego freien Lauf lässt und sich als Checker präsentiert, hat schon verloren.
Ich setze in diesen Fällen mein "Inspektor-Columbo"-Gesicht auf und sage abwechselnd: "Das überfordert mich jetzt. Was bedeutet das denn genau?" und "Das verstehe ich nicht. Können Sie das bitte noch einmal erklären?"
Senken Sie Ihren IQ auf RTL2-Niveau (Hä, Rendite-Tausch?). Das bremst das die Schaumschläger zuverlässig aus.
Gehen Sie nie davon aus, dass Sie der Blödmann sind! Damit liegen Sie ‒ zumindest im Finanzbereich ‒ immer falsch.
Die guten Produkte sind alle einfach zu verstehen.
Ein weiterer Vorteil einfacher Produkte: Sie sind meist billiger, denn im Gebüsch der Komplexität versteckt der Fuchs die Gebühren.
(*) Wer bei der Rekrutierung des Dr. Fox spontan an die "Ausbildung" der Mitarbeiter von Finanzstrukturvertrieben denkt, liegt nicht ganz falsch.