24. Juni 2022


13 Weisheiten für den Bärenmarkt

Nun sind wir glücklich im Bärenmarkt angekommen. S&P 500: Erster Handelstag 2022: 4.796 Punkte, 22. Juni 2022: 3.760 Punkte. Das sind 22 Prozent weniger, Bärenterritorium beginnt ab minus 20 Prozent.
Wenn die Zahlen rot werden, hilft es sich zu überlegen: Was zum Teufel mache ich hier eigentlich ?
Ich habe ein paar Leitsätze zusammengetragen, die Ihnen vielleicht helfen. Und ansonsten gilt: Es ist Sommer! Raus und grillen!

1. Respektieren Sie Lady Luck

Bleiben Sie bescheiden, wenn die Dinge gut laufen. Die tiefgrünen Zahlen der Vergangenheit gehen zu einem guten Teil auf das Konto der Börsentide, die alle Schiffe hebt. Ein paar Sachen haben Sie bestimmt richtig gemacht, aber das Glück spielt auch eine Rolle.
Und wenn’s schlecht läuft? Dann ist das auch nicht nur ihr Fehler. Wenn die Welt auf Talfahrt ist, können Sie nicht viel machen.
Nichts ist so gut oder so schlecht, wie es auf den ersten Blick aussieht. Die Welt ist groß und komplex und für Glück und Risiko gilt: "Unverhofft kommt oft".

2. Weniger Ego, mehr Reichtum

Sparen ist die Lücke zwischen Ego und Einkommen; und Reichtum ist das, was man nicht sieht. Reichtum, das ist der Nicht-Lambo, mit dem man nicht durch die Straßen röhrt. Reichtum sind ein paar Bits und Bytes, die sich in einem Depot zu einer Kolonne von Nullen formieren die dann von einer Acht oder Neun angeführt wird.
Reichtum entsteht, wenn man heute nichts kauft um morgen mehr Optionen zu haben (oder sich größere Dinge kaufen kann).

3. Geldmanagement

Erste und einzige Regel: Legen Sie Ihr Geld so an, dass Sie gut schlafen können. Alles andere halten Sie sowieso nicht durch. Und was ist mit

  • streben Sie die maximale Rendite an: Nein!
  • sparen Sie x Prozent Ihres Einkommens: Nein!

Es wird Leute geben, die nur dann ruhig schlafen können, wenn Sie das absolute Renditemaximum aus jeder Transaktion herausgeholt haben, andere dagegen schlampen sich so durchs Leben: "Was mein Broker für die Ausführung des Sparplans nimmt? Keine Ahnung, ich beschäftige mich nicht mit Nebensächlichkeiten!"
Finden Sie Ihren Groove. Aber das Ostinato des Investorenlebens ist und bleibt "Lässt mich dieses Investment ruhig schlafen?"

4. Mehr Zeit!

Kosten runter, Rendite hoch, alles prima. Aber es ist die die Zeit, die kleine Dinge groß macht und große Fehler abschleift. Die Zeit weist Glück und Risiko in ihre Schranken und schubst die Ergebnisse in Richtung Mittelwert. Eine gute Strategie kann in die Fänge des Risikos geraten und ganz schön zerrupft werden, aber die Zeit heilt das meiste. Narben bleiben immer.

5. Das Meiste geht in die Grütze

Sie können die Hälfte aller Investments in den Sand setzen und trotzdem ein Vermögen machen.
Warum?
Nun, die Finanzwelt ist "tail-driven". Tail-driven? Was ist das denn schon wieder? Tail-driven bedeutet: 80/20. 20 Prozent der Ereignisse sind für 80 Prozent der Ergebnisse verantwortlich. Egal, was Sie mit Ihrem Geld anstellen, vieles davon wird nicht funktionieren und das macht nichts.
Sie betrifft das nicht, denn Sie sind ein Indexer.
Hm, die Herrschaften von J.P. Morgan Asset Management haben sich mal die Mühe gemacht, den Russel-3000-Index zu durchleuchten.

"Der Russell 3000 ist einer der weltweit größten Aktienindizes. In ihm sind die 3.000 Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung in den USA gelistet."

Betrachtet wird der Zeitraum von 1980 bis 2014. Das Ergebnis schüttelt selbst einen Riskokapitalisten.

  • 40 % aller Firmen verloren in diesem Zeitraum 70 % oder mehr ihres Wertes und haben sich von diesem Schlag niemals wieder erholt.
  • Der Index selbst hat sich in dieser Zeitspanne verdreiundsiebzigfacht (aus einem Dollar wurden 73). Verantwortlich waren dafür 7 % der Indexfirmen.

Der S&P 500 ist auch nicht besser, 2018 kam

  • 6 % der Indexrendite von Amazon. Amanzons Tails heißen Prime und AWS.
  • 7 % der Indexrendite von Apple. Apple hat mit dem iPhone das tailigste Produkt ever am Start.

Wie sang schon James Brown: It’s a tails world. Tails make all the money"…

Investieren bedeutet: Jahr um Jahr auf Autopilot und dann im Tail-Event das Richtige tun.

6. Geld kontrolliert Zeit

Anleitung zum Unglücklichsein: Keine Zeitautonomie haben. Das Schönste: die Möglichkeit zu tun, was Sie wollen, wann Sie wollen, mit wem Sie wollen und so lange Sie wollen.
Kurz und gut: Ein bequemes Plätzchen in der arschlochfreien Zone ist die höchste Rendite, die sie von Ihren Investments erwarten können.

7. Sparen Sie grundlos

Das Leben ist eine Kette aus Überraschungseiern. Aus manchen schlüpft ein schwarzen Schwan. Irgendwas ist immer - Das Leben ist darauf spezialisiert, Ihnen in den unpassendsten Momenten mit den unmöglichsten Dingen auf die Nerven zu gehen. Ein solides Cashpolster ist der beste Hedge gegen amoklaufende Schicksalsgötter.

8. Was darf der Erfolg kosten?

Wie definieren Sie Erfolg und welchen Preis sind Sie bereit zu zahlen? Das Blöde: Wir Anleger entrichten unseren Tribut nicht unbedingt in Euro, Dollar oder Yen. Unsere Währungen heißen: Unsicherheit, Zweifel, Bedauern.
Kleiner Mentaltrick: Sehen Sie’s als Gebühren (man bezahlt seinen Preis und bekommt dafür etwas Schönes) und nicht als Geldstrafe (etwas, das man lieber vermeidet).

9. Lassen Sie mal alle Fünfe gerade sein

Nähen Sie nicht alles auf Kante, lassen Sie sich Spielraum. Damit der Zinseszins wirken kann, müssen Sie im Spiel bleiben. Wenn Ihre von anderen als "konservatives Schissertum" belächelte Vorsicht Sie im Spiel hält, haben Sie gewonnen. Die Rendite Ihres Tagesgeldes sind nicht die mickrigen 0,x %, sondern die 6, 7, 8 Prozent, die Sie nach wie vor mit Ihren ETFs erzielen, weil Sie das Tagesgeld im Spiel hält.

10. Extremismus tut nicht gut

Unsere Ziele und Wünsche ändern sich. Je extremer Ihre Entscheidungen in der Vergangenheit waren, umso schwieriger wird es neue Pfade einzuschlagen. Dazu mehr in einem Blogposting im Herbst.

11. Sag ja zum Risko

Ohne Risiko keine Rendite. Sagen Sie nein zum Garantieprodukt und sagen Sie auch nein zu Risiken, die Sie in den Bankrott treiben können. Ruin ist keine Option. Denn wer ruiniert ist, kann keine guten Risiken mehr eingehen. Das sind die Risiken, die sich nachher auszahlen.

12. Welches Spiel spielen Sie eigentlich?

Was sind ihre Ziele, was wollen Sie vom Leben?
Nehmen wir die Google-Aktie: Die steht aktuell bei 2.243 USD. Ein fairer Preis?
Kommt darauf an.

  • Sie sind ein Buy & Holder, Ihr Zeithorizont sind 30 Jahre. Dann sollten Sie sich überlegen, wie der diskontierten Cashflow bis 2052 denn wohl aussieht und ob ein Preisschild von 2.243 USD dazu passt.
  • Raus nach 10 Jahren? Ok, glauben Sie, dass das Management das Wachstumsversprechen von heute umsetzen kann? Wie beurteilen Sie das Potential der Firma?
  • Haltedauer ein Jahr: Ist der Bärenmarkt im Sommer 2023 durch, weiden dann wieder die Bullen auf grünen Renditewiesen?
  • Sind Sie ein Tageshändler? Dann geht es doch nur darum: Hole ich zwischen jetzt und dem Mittagessen ein paar Kröten aus dem Chart raus? Vollkommen egal, wo der Kurs steht.

Das Problem: Der Tageshändler macht den Preis. Und der Preis ist das, was man sofort sieht. Also orientieren sich auch die Langfristinvestoren an ihm. Als soziale Wesen beobachten wir, was anderen tun und richten uns danach aus. Wenn auf einmal alle an der Ampel stehen bleiben, ist es sicher eine gute Idee zu tun, was alle tun. An der Börse dagegen ist ein extrem diverses Volk unterwegs. Der eine traded aus Spaß ein paar Hightechaktien, der andere pflegt seine Altersvorsorge und ein Dritter findet alles mies und shortet.
Hier gilt es aufzupassen, das man sich nicht auf dem falschen Spielfeld wiederfindet.

13. Für die italienischen Momente im Leben

Die Börse ist nicht geordnet, rechtwinklig, deutsch, sondern alles rennt und wuselt durcheinander wie auf einer italienischen Piazza.
Wenn es ums Geld geht, werden intelligente, informierte und vernünftige Menschen immer unterschiedlicher Meinung sein, weil die sie sehr unterschiedliche Ziele und Wünsche haben. Es gibt keine einzig richtige Antwort, sondern nur die Antwort, die für Sie funktioniert.
Finden Sie sich damit ab.

Fazit

Ein guter Anleger ist langfristig / strategisch optimistisch und kurzfristig / taktisch total paranoid. Ja, der grundsätzliche Vektor zeigt nach rechts oben, aber der Weg zwischen heute und der Zukunft ist voller Sprengfallen.

(awa)

Der Freitags-Newsletter

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Wollen Sie wisssen, wenn sich hier etwas tut (unter anderem neue Artikel, Veranstaltungen mit und von mir)? Wenn ja, dann melden Sie sich zum Freitags-Newsletter an.

Ja, ich bin dabei!

kurz & bündig, kostenlos, kein Spam, keine Weitergabe der E-Mail-Adresse, jederzeit kündbar, Datenschutz

Abgelegt unter Strategie, Geldanlage, Grundlagen, Rendite, Altersvorsorge, sparen



Das könnte Sie auch interessieren

  1. Leserfrage: Mein ETF wandelt sich
  2. Leserin fragt: Sparplan am 1. oder 15. starten?
  3. Echter Mehrwert oder Drückerkolonne 2.0 – wie viel Innovation braucht ein Geldanleger?
  4. Das Klima retten mit ETFs

Kommentare

Das Finanzwesir-Seminar - für alle ETF-Selbstentscheider.

Die Seminarreihe: Passiv investieren mit ETFs. Werden Sie zum souveränen Selbstentscheider.


Der Finanzwesir kommt zu Ihnen via Twitter, E-Mail oder als RSS-Feed: Artikel | Kommentare.
Auf Feedly folgen.


Autonome Zellen

Die Finanzwesir-Community: Regelmäßige Lesertreffen (30 Städte, 4 Länder)


Artikel durchsuchen


Neuste Kommentare

Lesenswert

Diese Blogs und Foren kann ich empfehlen.

Meine Finanz-Bibliothek

Das liest der Finanzwesir

Die 5 wichtigsten Artikel

Alle Artikel