28. November 2014
Geldanlegen ist wie Kochen
Ums Geldanlegen wird immer viel Hokuspokus gemacht: "Draghis Bazooka hat die Märkte in eine hoch volatile Seitwärtsbewegung gebracht. Wenn das Bollingerband die 15,54 überschreitet, droht ein Outbreak in Richtung 67,12 Euro."
Haufenweise denglisches Fachvokabular und der grimmige Satz "Haben Sie schon mal über Ihre Altersvorsorge nachgedacht?" verschrecken zusätzlich.
Dabei ist Geldanlegen so einfach wie Kochen.
Glauben Sie nicht?
Was halten Sie von den folgenden Vergleichen?
Ein gutes Essen ist ausgewogen. Immer nur Steak mit Wurst und Speck schmeckt dem Wolf, ist für einen Menschen aber nicht gesund. Ein bekömmliches Essen ist diversifiziert und besteht aus den Assetklassen: Fleisch, Gemüse, Obst, Milchprodukte, Eier und Getreide (Brot).
Damit aus einem ungeputzten Gemüsehaufen, einigen Eiern und einem Lappen Fleisch ein ausgewogenes Portfolio wird, müssen wir auswählen und die einzelnen Produkte in einem bestimmten Mengenverhältnis zusammenstellen. Dabei können wir die fünf folgenden Fehler machen:
1. Mehr ist besser
Das ist die Küche der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Wir servieren Buttercremetorte mit Sahne. Damit haben wir uns Fett, Fett und Fett ins Depot gelegt. Dummerweise braucht der Mensch ab und zu auch Vitamine und Mineralstoffe, ganz zu schweigen von Eiweiß und Kohlenhydraten.
Für uns als Geldanleger bedeutet das: Wenn ich US-Standardwerte und DAX-Aktien kaufe, habe ich zwar mehr Aktien im Depot, aber nicht mehr Diversifikation. Wenn Wall Street jubelt, saust auch der DAX nach oben, fließt in New York das Blut, crasht auch der DAX.
Statt zweimal Buttercremetorte nehme ich lieber einmal Buttercremetorte und einmal Kompott. Die absolute Zahl der Investments ist nicht so wichtig. Ich muss als Anleger vor allem darauf achten, dass meine Investment-Objekte (Aktien, Anleihen, Rohstoffe) nicht korrelieren.
Gut
- Ein Fonds mit Aktien entwickelter Volkswirtschaften.
- Ein Fonds, der in die Aktien von Schwellenländern investiert.
Schlecht
Zwei Mischfonds
2. Ignorieren, wie Dinge korrelieren
Kein Koch schmeckt mit Piment, Chili und Pfeffer ab, denn die drei korrelieren. Große Kochkunst kombiniert etwas nicht Korrelierendes wie salzig mit süß, scharf mit sauer und macht daraus etwas Besonderes.
Einspruch!
Wir haben doch diversifiziert. Piment ist grün, Chili ist rot und Pfeffer ist schwarz.
Das ist korrekt, und die BASF ist ein deutsches Chemieunternehmen, Toyota ein japanischer Autohersteller und Coca Cola ein US-amerikanischer Getränkekonzern. Bei dieser Betrachtungsweise haben wir die Assets diversifiziert, nicht aber das Risiko, und darauf kommt es an.
Scharf ist scharf, egal, ob es das grüne Scharf, das rote Scharf oder das schwarze Scharf ist.
Das gleiche gilt für die drei Aktienfirmen. Es sind große Konzerne, die ihren Sitz in einem Industrieland haben und weltweit aktiv sind. Ihre Kurse reagieren deshalb ähnlich.
Sie müssen – wie ein guter Koch – mutig sein und in Ihrem Depot Dinge zusammenfügen, bei denen Sie auf den ersten Blick eher skeptisch sind.
3. Gleichverteilung ist besser
Kein Rezept ohne Mengenangaben! Ein Kilo davon, ein paar Gramm hiervon und als Abrundung eine Prise von dem hier. Der Unterschied zwischen einem Weltklasse-Rezept und einem mittelmäßigen Rezept liegt oft genug nur in den Mengenangaben. Kein Wunder, dass die Cola Company keine genauen Angaben über die Zusammensetzung ihrer Brause macht.
Geldanleger dagegen verteilen ihr Geld oft mit der Gießkanne, ohne auf die Risiken zu achten, die für jede Anlageklasse sehr unterschiedlich sein können.
Wenn Ihnen jemand drei Aktien- und zwei Anlagefonds anbietet: Verteilen Sie Ihr Geld dann so wie beim Lotto gleichmäßig auf alle fünf Optionen?
Was passiert, wenn Ihnen acht Aktien- und zwei Anleihefonds angeboten werden?
Sind Sie dann zum Schluss zu 80 Prozent in Aktien investiert?
Sie sollten Ihr Geld nie gleichmäßig verteilen, sondern immer so, wie es Ihrem Risikoprofil und Ihrer Lebensplanung entspricht.
4. Angst vor Schwankungen
"Wem es in der Küche zu heiß ist, der darf nicht Koch werden wollen."
Harry S. Truman
Ohne Schwankungen geht es nicht bei der Geldanlage. Ein Koch muss einen kühlen Kopf bewahren und Stress aushalten können. Geldanlagen mit mehr Volatilität, also einer höheren Schwankungsbreite der Wertpapierkurse, sind eine sinnvolle Diversifikation, denn sie bringen mehr Rendite. Gelungene Risikodiversifikation bedeutet:
- Ein Teil meines Geldes ist in Produkten mit geringer Schwankungsbreite angelegt.
- Ein Teil meines Geldes ist in Produkten mit hoher Schwankungsbreite angelegt.
5. Viele verschiedene Anbieter
Natürlich können Sie beim Einkauf von Pontius bis Pilatus ziehen. Möhren nur beim Biohof, das Fleisch nur beim Spezialisten und Nudeln kaufe ich nur selbst gemacht von "Mamma Mia".
Das kostet viel Zeit und Benzin. Zeit, die nachher beim Kochen fehlt.
Wie sieht es bei Ihren Finanzen aus? Alles schön diversifiziert? Tagesgeld bei der A-Bank, ein Depot bei der B-Bank und eins bei der C-Kasse, dazu noch der Bausparvertrag und dann noch einige Fonds, die direkt von der Fondsgesellschaft verwaltet werden.
Wenn es um Tagesgeld von mehr als 100.000 Euro geht, kann ich das nachvollziehen. Ansonsten wäre mein Tipp: Suchen Sie sich eine solide und vertrauenswürdige Bank und konsolidieren Sie.
Mehr Finanzdienstleister bedeutet in der Regel
- höhere Gebühren
- weniger Übersicht
- mehr Papierkram
Oft ähneln sich die Investments bei den verschiedenen Anbietern so stark, dass es keinen Diversifikationseffekt gibt. Zwei Sparpläne über 50.000 Euro bei verschiedenen Anbietern kosten in der Regel mehr als nur einer über 100.000 Euro.
Rein gebührengetriebenes Anbieterhopping zahlt sich in den wenigsten Fällen aus.
Wie viel Sterne braucht ein Finanzkoch?
Wir wollen solide, bodenständige Kost mit Qualitätsanspruch. Wir sind nicht das Etablissement, das sich täglich Kobe-Rind einfliegen lässt, aber auch nicht das Tütensuppen-Restaurant.
Auf die Finanzen übertragen bedeutet das: Lassen Sie die Finger von Junk-Produkten wie Riester, Rürup und Lebensversicherungen. Auch die meisten grünen Produkte sind nicht halb so öko, wie sie aussehen. Nehmen Sie stattdessen einfache Produkte wie einen Indexfonds, Tagesgeld und Festgeld.
Die Zeit, die Sie mit diesem einfachen Rezept sparen, können Sie dann am echten Herd einsetzen und Ihre Familie und Freunde bekochen.
Nachtrag
Dieser Artikel richtet sich weniger an Sie, liebe Stammleser und -leserinnen. Für Sie schreibe ich die Hardcore-Artikel über das Innenleben eines ETF.
Aber vielleicht ist dieser Artikel etwas für Ihren Freund, Ihre Freundin oder den Ehepartner oder sonst jemanden im Verwandten- und Bekanntenkreis, der noch vorsichtig um das Thema Geldanlegen herumschleicht.
Das einzige, was man diesem Artikel vorwerfen kann, ist: "Er hat schon wieder Diversifikation geschrieben." Ansonsten ist dieser Artikel doch erfreulich finanzwortfrei.
Und noch ein Lesetipp für Finanz-Phobiker: Die Muli-Strategie.