25. Januar 2016


Filmkritik: The Big Short

Wäre dieser Film nicht aus Hollywood, sondern mit Geld aus der deutschen Filmförderung gedreht, wäre es unerträglicher Schulfunk.
So aber ist es eine rasante, lustige, zynische Erklärbär-Komödie mit dem Prädikat: Unbedingt sehenswert.

Wenn Sie wissen wollen, was die Weltwirtschaftskrise 2007 auslöste: The Big Short liefert die Erklärung.
Der Film beginnt zwei Jahre vor dem Crash. Michael Burry (Christian Bale), ein autistischer Arzt, der mit Scion Capital seinen eigenen Hedgefonds gegründet hat, stellt fest: Die verbrieften Hypotheken-Darlehen (CDO = Collateralised Debt Obligation) haben alle ein Top-Rating, aber die Einzelkredite, aus denen der CDO zusammengesetzt ist, sind zum größten Teil im Zahlungsverzug.

Wie geht das zusammen und was sind eigentlich diese verdammten CDO?

Dieser Frage versucht der Film in den nächsten 130 Minuten zu klären und schickt seine Protagonisten dafür in Strip-Lokale, nach Las Vegas und auf das Set von The Walking Dead.

Nachdem die Situation immer dubioser wird, entschließt sich Fonds-Manager Mark Baum (dargestellt von einem adrenalin- und testosteron-gedopten Steve Carell) Feldforschungen anzustellen und schickt ein Team nach Florida. Einfach mal nachschauen, ob Immo-Verkaufsprospekt und Realität übereinstimmen.
Sie erwarten "blühende Landschaften" und sehen das Set von The Walking Dead. Fast kein Haus bewohnt, Müll auf den Straßen, aber in jedem Pool ein missgelaunter Alligator.
Kein Triple-A-Szenario.

Der Film endet mit dem großen Showdown. Im Frühjahr 2007 steigen die Immobilien-Zinsen und das Kartenhaus bricht zusammen. Bear Stearns wird von JPMorgan Chase & Co. übernommen um eine Insolvenz zu vermeiden, Lehman Brothers ist insolvent, und Millionen Amerikaner werden obdachlos und verlieren ihren Arbeitsplatz.

Aber die Wetten von Michael Burry und Mark Baum gehen auf. Ihre Short-Positionen sind Milliarden wert.

Mein Favorit: Ein vollbärtig-zauseliger Brad Pitt (ja, der hat auch eine Wette gegen den Immo-Markt laufen) versucht in einem britischen Pub über eine wackelige Mobilfunk-Verbindung der schweizerischen UBS eine 100-Millionen-Dollar-Position Shorts zu verkaufen.
Pub-Gast 1: "100 Millionen?! Alter, bist du Drogenhändler oder Banker?"
Pub-Gast 2: "Wenn du ein Banker bist, verpiss’ dich. Die wollen wir hier nicht haben."

The Big Short ist zwar kein Dokumentarfilm, doch der Wahrheit insoweit verpflichtet, dass er kein Happy End hat, sondern angemessen zynisch endet.

Der Film ist kein Historienschinken, der längst Vergangenes aufarbeitet. Die Banken sind auch 2016 wieder eifrig dabei,

  • nicht kreditwürdigen Menschen Geld zu leihen,
  • diese Sub-Prime-Kredite in Anleihen zu verwandeln und unters Anlegervolk zu bringen.

Dieses Mal sind es keine Immobilien-Kredite, sondern unbesicherte Konsumentenkredite, auch bekannt als P2P-Kredite.

"With their low operating costs, minimal regulatory constraints and data-driven models, marketplace lenders are giving borrowers easier access to credit…"
Quelle Morgan Stanley Research

"And the same dynamic that drove the housing market off a cliff (and that very soon will do the same for the subprime auto market) is at play with peer-to-peer loans."
Quelle: Zerohedge

Mit anderen Worten: Die Reinkarnation von 2007 wird ‒ je nach Wirtschaftslage ‒ zwischen 2017 und 2020 erwartet. Man hätte "The Big Short" auch "Und täglich grüßt das Murmeltier" nennen können.

Fazit

Besser hätte auch der Finanzwesir die Sub-Prime-Krise nicht erklären können. Deshalb fünf Sterne für eine Komödie mit einem sehr ernsten Kern.
Warten Sie nicht auf die Zweitverwertung auf DVD oder im TV, sondern sehen Sie sich diesen Film jetzt im Kino an.
Lachen und lernen: Dieser Film tut mehr für die finanzielle Bildung als alle atemlosen Ratgeber-Sendungen des deutschen Fernsehens zusammen.

Trailer "The Big Short"

Brilliant: Sternekoch Anthony Bourdain erklärt den CDO am Beispiel einer Fischsuppe

PS

Lassen Sie sich nie und unter keinen Umständen eine CDO andrehen. Egal, unter welchem Namen sie daherkommt.

(awa)

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Abgelegt unter Strategie, Wall Street, Film



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Kommentare

AtotheJ sagt am 25. Januar 2016

Der Film ist wirklich sehenswert! Meine 2 Cent in die Klugscheißerkasse: Christian Bales Charakter hat zunächst nicht die CDOs als faul identifiziert. Er hat erst einmal nur festgestellt, dass die Mortgage Bonds stinken. Dass die CDOs auf die Mortage Bonds gewettet haben, machte das ganze Schlamassel nur noch schlimmer.

Über die Analogie zum P2P-Lending musste ich erstmal ne Minute nachdenken. Das haut mich gerade echt um, aber ich glaube es stimmt!

Und ich hab erst vor ner Stunde das Postident bei "auxmoney" abgeschlossen...


AtotheJ sagt am 25. Januar 2016

Ups, Missverständnis meinerseits. Ich hab den Film nur auf englisch gesehen und dachte Mortage Bonds seien so ne Art Fonds, in dem die verschiedenen grundschuldbesicherten Kredite zusammengefasst sind... Da ist meine Klugscheißerei mal so richtig nach hinten losgegangen ;-)


Jonathan Lang sagt am 25. Januar 2016

Auch sehr sehenswert, und ähnliche Thematik, ist Margin Call von 2011. Ein bisschen weniger bunt und action-geladen, aber nichts desto trotz eine schöne Abhandlung der Spannungen (&Spannung) innerhalb einer Bank...
Mit klasse Schauspielern obendrein (Kevin Spacey, Paul Bettany, Stanley Tucci, ...)!


Harald sagt am 25. Januar 2016

Hallo Zusammen. Mir stößt im Text etwas auf, dass das Produkt CDO negativ gesehen wird. CDOs oder andere asset-backed-securities sind per se keine schlechten Produkte, sondern - richtig eingesetzt - sehr hilfreich.
Eine Besicherung der Securities (vs einer Nichtbesicherung wie z.B. bei jedem üblichen unsecured Bond) ist grds. positiv zu sehen.
Problematisch werden CMBS/MBS etc dann, wenn die dahinterliegenden Assets als AAA geratet werden, in Wahrheit jedoch eher BB und schlechter entsprechen.

Schöne Grüße


Christoph (der Stillhalter) sagt am 25. Januar 2016

Wer wird denn hier einem breiten Publikum verraten, gegen wen ich in naher Zukunft wetten will??? :)


B-Sager sagt am 25. Januar 2016

Reiht sich nahtlos ein in die Liste sehenswerter "Finanz-Filme":

  • Wall Street
  • Wall Street 2 - Geld schläft nicht
  • Der große Crash - Margin Call
  • The Wolf of Wall Street
  • Arbitrage
  • Black Gold
  • Kapitalismus - Eine Liebesgeschichte
  • Inside Job
  • The Forecaster
  • Master of the Universe
  • The Big Short

Finanzer sagt am 25. Januar 2016

Habe das Buch gelesen und fand es interessant, aber auch unterhaltsam geschrieben.

Ebenfalls empfehlenswert ist das Buch "A Colossal Failure of Common Sense: The Inside Story of the Collapse of Lehman Brothers". Geschrieben von einem früheren Lehman-Händler, der kurioserweise für Distressed Bonds (also Anleihen von Firmen in Schwierigkeiten) verantwortlich war. Nebenbei erzählt er im ersten Teil von sich und seinem Lebenslauf. Auch das interessant. Ich weiß allerdings nicht, ob es das auf deutsch gibt.

Zum Thema CDO: Ich kann Harald nur zustimmen. Nicht das Produkt ist "böse", sondern im Zweifel das, was drinsteckt.
Siehe europäische ABS, die im Vergleich zu den amerikanischen Pendants während der Finanzkrise nur wenig Ausfälle zu verzeichnen hatten. Ein Hinweis aber noch: Ein Vergleich mit unsecured Anleihen passt nicht ganz.
Während solche Anleihen von der Bonität des Emittenten leben, sind ABSe durch Zweckgesellschaften geschuldet, die über keine eigene Bonität verfügen. Man ist also vollkommen abhängig, von den Assets, die dem ABS als Grundlage dienen.


Max sagt am 25. Januar 2016

"Dieses Mal sind es keine Immobilien-Kredite, sondern unbesicherte Konsumentenkredite, auch bekannt als P2P-Kredite. "

Ja, stimmt. Allerdings denke ich, daß auch in einigen Jahren einige Immoblienbesitzer mit ihrem Kredit baden gehen.

Momentan drängen die Banken ihren Kunden Kredite (auch Immobilienkredite) förmlich auf. Inzwischen gibt es einige 100% Finanzierungen von Leuten, die gerade mal die (superniedrigen) Zinsen bezahlen können.

Wenn die Zinsen hochgehen und die ersten Schuldner verkaufen müssen, dann sinken die Immobilienpreise. Dadurch stimmt dann die Sicherheit der Banken für die anderen Immobiliendarlehen nicht mehr und sie fordern mehr Sicherheiten (die i.d.R. natürlich nicht vorhanden sind). Dann müssen diese Schuldner auch verkaufen.


Finanzkoch sagt am 26. Januar 2016

Hallo Max,

"Momentan drängen die Banken ihren Kunden Kredite (auch Immobilienkredite) förmlich auf."

Das kann ich so nicht bestätigen. Die Banken rechnen intern für die Anschlussfinanzierung mit 6 Prozent Zins (aufsichtsrechtliche Vorgabe) ... wer sich das mit seiner aktuellen Einkommenssituation nicht leisten könnte, bekommt keinen Kredit.

Ausnahmen mag es geben - sind aber nicht die Regel. Da kommt es eher vor, dass potentielle Immobilienkäufer ihre Finanzkraft völlig überschätzen und tricksen wie sonst was, um noch eine Finanzierung zu bekommen ...

Zum Film:
Im Kino würde ich ihn nicht noch einmal schauen. Es reicht völlig auf die Ausstrahlung im Fernsehen zu warten.

Liebe Grüße
Christoph


Christoph (der Stillhalter) sagt am 26. Januar 2016

@ Max

Im Immobilienbereich wird es wohl tatsächlich Verwerfungen geben wenn die ersten Zinsbindungsfristen auslaufen. Die wenigsten Banken haben von den Kreditnehmern 6% Annuität verlangt. Das ist ungefähr das was man bringen muss, damit die Finanzierung bei höheren Zinsen nicht mehr kippt.

Ich kann nur jedem, der vor hat in Immobilien einzusteigen raten sich schon jetzt mit dem Thema Zwangsversteigerung zu beschäftigen und auch an einigen Versteigerungen teilzunehmen auch wenn man nicht bieten möchte. Da gibt es nämlich häufig die Schnäppchen mit Faktor 8-10 zu holen.

Es ist außerdem wichtig zu wissen, dass bestimmt 50% der Objekte vor der Versteigerung verkauft werden. Wenn man also eine Immobilie wirklich haben möchte, muss man schon vorher mit der betreibenden Bank reden.

Das ist eine ganz eigene Welt in die man nicht von heute auf morgen einsteigen kann. Einige Buchtipps von mir:

http://www.amazon.de/dp/3802935594 http://www.amazon.de/dp/3406638783 http://www.amazon.de/dp/3844816925


Stefan sagt am 28. Januar 2016

Hallo zusammen,

"The Big Short" werde ich mir ansehen, auch wenn der Film wohl mehr unterhält als informiert.

Neben "Margin Call", der hier bereits erwähnt wurde, kann ich "Too Big To Fail" empfehlen.

Schöne Grüße,
Stefan

Auf dem Blog von Stefan gibt es hierzu diesen Artikel: Stefans Börsenblog


Anton sagt am 28. Januar 2016

Wenn wir schon beim Aufzählen von sehenswerten Finanzfilmen sind, möchte ich B-Sagers Liste mal noch um einen Film ergänzen:

Wer schon immer mal wissen wollte, wie ein Mensch mittels unerlaubte Zins- und Indexspekulationen einen Verlust von 1,4 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet und damit seinen Arbeitgeber in den Bankrott treibt, sollte sich unbedingt

Das schnelle Geld – Die Nick-Leeson-Story

anschauen!

Auf dem Blog von Anton gibt es hierzu diesen Artikel: Finanzielle Freiheit


Finanzparandontitis sagt am 31. Januar 2016

@ AtotheJ

Das Problem an den Immobilienkrediten / P2P Krediten ist nicht der an sich sichere oder faule Kredit, sondern die Fischsuppe, die soviel davon enthält, dass man die einzelnen Zutaten nicht mehr vernünftig einschätzen kann. Dann bleibt nur noch der Blick auf das Rating (natürlich Triple A) und fertig ist das "sichere" Investment.

Ich denke auch in Zeiten von einer erneuten CDO Schwemme kann man in die Einzelwerte investieren, sofern man diese versteht und auch einordnen kann. Wäre theoretisch auch mit den CDO möglich, aber diese sind mit Absicht so intransparent...


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