23. Juli 2021


Leserfrage: Haben Alpha-Fonds ein Lehman-Problem?

Philipp fragt

Absicherung in Krisen mit Finanzinstrumenten ist ja schön und gut. Aber er hat Bedenken bezüglich der Finanzinstrumente, die die Alpha-Fonds verwenden? Das sind ja Derivate. Sein Stichwörter sind Emittentenrisiko und Lehman Brothers Pleite.

Was ist ein Derivat?

Ein Derivat ist ein Finanzinstrument, dessen Wert vom Wert eines anderen Finanzvehikels abgeleitet wird. Ableiten - das bedeutet das lateinische Wort "derivare", von dem sich wieder das Wort Derivat ableitet.
Beispiel: Eine Aktie ist der Basiswert. Wenn die Aktie im Wert steigt, dann kann der Wert des Derivates steigen oder fallen. Je nach dem, wie der Designer des Derivats die beiden Werte verknüpft hat. Basiswert kann der Kurs einer Aktie oder einer Anleihe sein oder eines Index’ - gern genommen wird der S&P 500 - oder Rohstoffpreise wie Gold, Öl, Weizen oder Kupfer.
Wenn dann die abstrakte Idee des Derivats in ein Finanzprodukt umgesetzt wird, ergeben sich große Unterschiede. Wie immer: "Entscheidend ist auf’m Börsenparkett."
Das war die kurze Erklärung. Wenn Sie es genauer wissen möchten, lesen Sie "Was ist ein Derivat und wie funktioniert es?"

Der Fall Lehman Brothers

Lehman hat Zertifikate verkauft. Zertifikat bedeutet: Reiner Retailkram, also Produkte für Endkunden. Kein Profi fasst so was an. Warum? Weil Sie da gegen die Bank wetten.
Die Bank denkt sich das Derivat aus, die Bank verkauft das Zertifikat und die Bank stellt oft die Kurse. Klarer Fall von asymmetrischer Informationsverteilung Rechtlich gesehen ist ein Zertifikat eine Schuldverschreibung und damit gibt es ein Emittentenrisiko (siehe Lehman). Wenn die Bank insolvent wird, gibt’s kein Geld.

Mit welchen Derivaten arbeiten Alpha-Fonds?

Mit Profiprodukten namens Optionen und Futures. Das sind strikt regulierte und standardisierte Finanzinstrumente, die über eine darauf spezialisierte Börse gekauft werden. Diese Börsen nennt man Terminbörsen. Große Terminbörsen sind die deutsch-schweizerische EUREX, die Chicago Mercantile Exchange (CME) und die London International Financial Futures Exchange (LIFFE).
Futures und Optionen haben ihren Ursprung im alten Babylon, als die Händler dort ihre Geschäfte absichern wollten.
Wenn die Salzkarawane wieder heimkommt, soll ja es auch Abnehmer geben, die das Salz zu einem vorher vereinbarten Preis kaufen.
Daraus entwickelten sich dann die standardisierten Kontrakte von heute.

Beispiel für ein Termingeschäft

In zwei Monaten ist sind 100 Tonnen Brot-Weizen zum Preis von 187 € pro Tonne zu liefern.

Die standardisierte Kontraktgröße beträgt 50 Tonnen (meine Annahme für dieses Beispiel)
Das bedeutet: Es werden zwei Kontrakte gehandelt. Qualität (Brot-Weizen), Lieferzeit (in 2 Monaten) und Preis (187 €/t) sind ebenfalls festgelegt.

Das meinte ich mit standardisiertem Kontrakt.

Was kostet mich der Spaß?

100 Tonnen zu je 187 € bedeutet: Ich muss 18.700 € bezahlen. Aber nicht sofort. Ich muss nur einen Bruchteil des Kaufbetrages in ein sogenanntes Margin-Konto einzahlen. Ja nach Markt sind das zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufbetrages. Jeder Markt (Aktie, Index, Rohstoff,…) hat da seine eigenen Gepflogenheiten.
In unserem Beispiel rechne ich mit 10 %. Also muss ich 1.870 € aufs Marginkonto überweisen.

Das deutsche Wort für Margin ist Differenz und jetzt wird es spannend. Wer hat nicht von dem berühmten Margin Call gehört.
Das ist der Anruf des Brokers, wenn die hinterlegte Summe unter die Halteschwelle fällt. Das deutsche Wort ist Nachschussaufforderung.

Wie kann das sein?

Die Kurse der Futures schwanken und damit mein Gewinn oder Verlust. Täglichen Gewinne und Verluste müssen unverzüglich bar ausgeglichen werden, damit sich keine Verluste anhäufen.
Das bedeutet: Jeden Abend, wenn die Terminbörse schließt wird abrechnet. Dieses tägliche Settlement nennt sich Marking to Market (MtM). Ziel ist es das Ausfallrisiko durch zeitnahen Ausgleich von Verlusten zu verringern.
Abends wird ein Schlusskurs für den Future oder die Option berechnet und alle offenen Kontrakte damit abgerechnet. Gewinne und Verluste werden sofort dem Marginkonto gutgeschrieben.
Am nächsten Tag starten die offenen Kontrakte dann mit dem Schlusskurs vom Vorabend.

Emittentenrisiko gebannt

Damit ist das Thema Gegenparteirisiko so gut wie durch. Wenn bei diesem Settlement das Marginkonto unter einen Schwellenwert fällt, dann kommt der Margin Call. Wenn kein Geld nachgeschossen wird, dann schließt der Broker die betreffende Position und sorgt so dafür, dass genug Geld für den täglichen Ausgleich da ist.

Emittentenrisiko bei Alpha-Fonds

(awa)

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